Reichtum
Wenn ich morgens die Augen öffne sehe ich einen roten Schimmer zwischen
den Vorhängen.
Langsam strecke ich mich, spüre wie der Schlaf weicht. Noch einmal atme
ich tief durch, lasse mich zurücksinken in die Wärme des Betts, die weichen
Kissen. Dann stehe ich auf. Ich öffne die Fenster und da ist er, der beginnende
Tag. Die Sonne taucht den Himmel bereits in tiefe Orange und Rottöne. Über den
Spitzen der Berge funkeln noch die letzten Sterne und man kann fast dabei
zusehen wie die Nacht dem Tag weicht. Ich sauge das Bild in mir auf, die
Farben, das Licht. Und ich fühle mich reich.
Vor dem Frühstück begleite ich Andi ein Stück auf dem Weg zu seiner
Arbeit. Das hat sich so eingependelt. Es ist unser kleines Ritual um den Tag
gemeinsam zu beginnen und Marley freut sich sichtlich über jeden einzelnen
Spaziergang den wir zu dritt unternehmen. Mittlerweile ist die Morgenluft kalt
und man kann bei jedem Atemzug kleine Rauchwölkchen sehen. Ich wickle mich fest
in Winterjacke und Schal. Marley läuft schwanzwedelnd vor uns her, Andi schiebt
sein Rad, unsere handschuhverpackten Finger ineinander verschränkt. Tief atme
ich die kalte Morgenluft ein...und fühle mich reich.
Die Morgensonne taucht das Land Stück für Stück in ein warmes Licht.
Erst spärlich, dann immer mehr. Zuerst in verschiedenen Rottönen bis alles
schließlich immer heller wird und der Tag langsam zum Leben erwacht. Als wir
zuhause ankommen dauert es nicht lange und die Küche duftet nach Kaffee. Auf
unseren Erdbeersträuchern, die ich vor der Kälte nach drinnen gerettet habe,
wächst eine kleine Erdbeere. Eine kleine dunkelrote Erdbeere, mitten im
November. Reichtum.
Marley liegt in seinem Korbsessel, die Sonne scheint durchs Fenster und
lässt sein Fell schimmern.
Jeden Morgen liegt er auf seinem Stuhl und lässt sich von den
Sonnenstrahlen wärmen,
er sieht glücklich aus, reich.
Während dem Frühstück telefoniere ich kurz mit meinen Eltern, beantworte
SMS von Freunden, vereinbare ein Treffen mit einer Freundin für den späten
Nachmittag. So viele Menschen die sich die Zeit nehmen zu telefonieren, zu
schreiben, sich zu treffen,… Jeder hat seinen Alltag, seine Ängste und Sorgen,
seine Träum, Wünsche und Hoffnungen. Und dennoch sind wir alle gemeinsam. Sind
wir alle zusammen, sind wir füreinander da. Nehmen Anteil, hören zu, lachen und
weinen miteinander. Reichtum.
Ein kleiner bunter Blumenstrauß auf dem Wohnzimmertischchen, die Sonne
die durchs Fenster scheint und mir meine Füße wärmt während ich am Computer
sitze und schreibe, das frische Gefühl nach der Morgendusche, die neuste „Beach
Vibe Playlist“ spielt Musik im Hintergrund, Dankbarkeitsgedanken, Tagträumen,
Wolkenbilder, Herbstlaubmorgenspaziergänge, die ersten Schneeflocken, Kekse
backen, eine Kerze anzünden, die Nase in den Wind halten, über all die vielen
großen und kleinen Dinge nachdenken die das Leben schön machen…
Ich kann ihn sehen, den Reichtum.
Seht ihr ihn auch?
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