Montag, 6. Juli 2015

...warum das Zelt im Rucksack blieb und UncleBens Reis auch mit Hagelkörnern seinen unverwechselbaren Geschmack behält...





Letztes Wochenende war es endlich soweit. Lange haben wir darauf gewartet, dass der Schnee die hohen Gipfel freigibt und wir unsere ersten Mehrtageswanderungen unternehmen können. Da es nun schon Juli ist und die hohen Berge noch immer mit Schnee bedeckt sind, haben wir beschlossen diese Tatsache zu ignorieren und uns trotzdem auf die Socken zu machen. Nach einer kurzen Suche im Internet wird Andi fündig, eine 3 Tagesrundwanderung nahe Aspen. Auch für ein wenig Nervenkitzel ist gesorgt, denn die Rundwanderung die ein sportlich motviert aussehender junger Bursch ins Internet gestellt hat deckt sich allein schon längenmäßig nicht wirklich mit dem was Andis GPS Uhr ausspuckt nachdem wir sie fleißig mit Daten gefüttert haben. Was solls denken wir uns, ein bischen Abenteuer hat noch keinem geschadet. Nach einem kurzen Telefonat mit meinem wildniserprobten Papa ist klar...wir haben keinen Plan wie man sich in Bärengebiet verhält.Also erstmal los zu REI und neben zig Campingkleinigkeiten wandern auch noch eine Bärenbox (nein, da kommt nicht der Bär rein, sondern unser Essen) und ein Bärenspray mit in den Einkaufskorb. (es hält sich der hartnäckige Eindruck, dass wir die Einzigen mit Bärenausrüstung auf der Wanderung waren, aber was solls...Vorsicht ist besser als Nachsicht und der Kübel eignet sich auch super als Sitzgelegenheit und das Bärenspray lässt sich eventuell als Ersatzpfefferspray verwenen sofern es in die Handtasche passt...)


Da Freitag Feiertag ist (4.Juli), sind wir schlau und reisen schon Donnerstag nachmittag ab, um nicht in den Hauptreiseverkehr zu kommen. Wie sich bald herausstellt sind wir nicht die einzig "Schlauen" und so brauchen wir statt der gewöhnlichen 3Stunden+, 4:30Stunden.
Zumindest werden wir mit einer Traumaussicht am Independence Pass für unsere Geduld belohnt.


Um halb 9 abends rumpeln wir dann endlich eine halbwegs intakte Schotterstraße Richtung Snowmass Trailhead. Dort angekommen sind auf dem kleinen Parkplatz gerade mal noch 4 Plätze frei. Außer 2 jungen Männern, die auf einem Riesengriller ihr Abendessen zubreiten und nicht sonderlich gesprächig sind, ist sonst niemand zu sehen.

Uns solls recht sein. Da uns dreien auch schon der Magen knurrt weihen wir sofort einmal unsere neu angeschafften Campingutensilien ein...
 Ja...also wie war das nochmal mit dem Gaskocher...
 ...vielleicht auf der Rückseite (ich beschränk mich aufs Fotografieren und überlass das Studieren lieber mal dem Herrn Doktor ;-) )
Es hat geklappt, der Reis kocht und als Kaffeeersatz haben wir den Yogi Tee dabei. (kein Scherz, den gibts auch mit Koffein angereichert und ich sag euch, morgens wirkt das Wunder ;-) )
Um 9 Uhr abends stellt sich die Frage ob Zelt aufbauen Ja oder Nein nicht mehr (Wobei das eigentlich ratsam gewesen wäre, zu dem Zeitpunkt haben wir unsere neu erworbene Unterkunft nämlich noch kein einziges Mal aus der Verpackung geholtä.Wir wissen also nicht einmal ob das ganze Zeltmaterial komplett ist, oder wie man das Ding überhaupt wohntauglich macht.) Kurzerhand funktionieren wir unser Autolein zur Schlafstätte um und siehe da, es schaut garnicht so unbequem aus...
 Marley verbringt die Nacht am Vordersitz und so schlecht kann er dort nicht geschlafen haben, denn als wir am nächsten Morgen aufbrechen ist er deutlich besser in Form als wir...
Nach einem gschmacklosen, aber sättigenden Haferflockenfühstück und einem halben Liter Yogi Tee kanns losgehen. Der Weg windet sich durch einen blühenden Märchenwald...blöd nur, dass niemand von uns weiß wie die Blümchen am Wegrand heißen. Fleißig fotografiert haben wir sie trotzdem...





Da hat wohl jemand seinen Schuh verlohren.
Zwar keine Palme, aber ein Riesenblümchen.
Damit man uns auch glaubt, dass wir nicht nur im Wald hinter unserem Haus unterwegs waren. ("Maroon Bells Snowmass Wilderness")




Snowmass Peak, darunter sollte irgendwo der Snowmass Lake, unser erstes Etappenziel, liegen.
Kurze Verschnaufpause.






...wir werden beobachtet.
Lange windet sich der Weg durchs Tal, auch nch 3 Stunden Wanderung haben wir noch keine Menschenseele getroffen.
Die Biber hier leisten ganze Arbeit.

Und dann ist es soweit, unser Wanderpfad endet abrupt und wir stehen vor einem Fluss. Ein Knäul aus Wurzeln und Baumstämmen windet sich zum anderen Ufer. Ernsthaft, da rüber?! Marley schaut genauso ratlos drein wie wir. Die etwas ungenaue Vorbereitung beginnt sich zu rächen. Müssen wir jetzt über den Fluss, haben wir eine Abzweigung versäumt, warum zum Kuckuck gibts hier kein Schlauchboot zum Rüberpaddeln? Das Überqueren der Baumstämme sieht nach einem risikoreichen Balanceakt aus, ist ja schon ohne einen Monsterrucksack am Rücken nicht so leicht über einen Baumstamm zu stolzieren.

Ja wo ist denn jetzt der Weg?!?
 Wir sind unschlüssig. Marley schlägt den Rückweg ein, wir hinterher. Die nächste halbe Stunde verbringen wir damit den Flusslauf nach einer guten Überquerungsmöglichkeit abzusuchen. Niente. Dann meine glohrreiche Idee...man könnte doch die Schuhe ausziehen und durch den Fluss waten. Gesagt getan. Andi und Marley beobachten mein Unterfangen vom sicheren Ufer aus. Weit komme ich nicht. Nach den ersten 5 Schritten stehe ich bis über die Knöchel im Schlamm, das kalte Wasser steht mir bis Mitte Oberschenkel...und es ist wirklich kalt. Richtig, richtig kalt. Nach nicht einmal einem Zehntel des Weges dämmert es sogar mir. Das funktioniert so nicht. Bibbernd wate ich zum Ufer zurück. Andi verkneift sich ein Grinsen und Marley wedelt nicht einmal. Sogar ihm scheint das Ganze schon ein wenig zu blöd zu sein. Da die Moral endgültig am Boden ist hilft nur eins. Hinsetzen und erstmal einen Riegel futtern. Danach schaut die Welt schon ganz anders aus (die Leute aus der Snickerswerbung haben ja nicht ganz unrecht). Als wir wieder an der Stelle angelangt sind, and der der Pfad in den Fluss mündet, entdecken wir plötzlich unzählige lange Stecken, die unsere Vorgänger scheinbar zur Hilfe bei der Überquerung genutzt haben. Wie konnten wir die nur übersehen?!
Im Endeffekt wars dann so lustig wie´s ausschaut! :-)
Marley über Board.

Ich bin mir ja ganz sicher, dass der Kleine nur darauf gewartet hat uns ins Wasser fallen zu sehen :-)

Schlussendlich haben wirs trocken ans andere Ufer geschafft und sind fast ein bischen stolz als wir auf den Damm zurückblicken.

 Höchstmotiviert durch unseren Minierfolg gehts weiter. Erst noch ein kleines Stück im Tal bis der Weg schließlich anzusteigen beginnt.


Als wir in ein kleines Wäldchen eintauchen treffen wir zum ersten Mal auf zwei weitere Wanderer. Sie sind aber ziemlich wortkarg und scheinen es eilig zu haben wieder vom Berg runterzukommen. Warum wird uns nach einer weiteren Stunde klar. Als wir dem See immer näher kommen werden wir schon sehnsuchtsvoll erwartet. Von tausenden von Moskitos. Hiervon gibt es keine Bilder weil wir einfach viel zu viel damit zu tun hatten wild um uns zu schlagen. Natürlich haben wir kein Gelsenspray dabei und ganz kurz überlege ich mir ernsthaft ob wir vielleicht hier das Bärenspray einsetzen könnten. Frustriert folgen wir dem Pfad im Laufschritt Richtung See.


Dort angekommen treffen wir auf weitere Wanderer die fischen, ihre Zelte aufschlagen oder es sich einfach nur gemütlich gemacht haben. Die Moskitos haben Schwärmen von Mücken Platz gemacht. Die stechen zwar nicht, schlüpfen aber binnen kürzester Zeit in Nase, Mund und Ohren. Zerstochen und ein wenig entnervt holen wir unseren Campinkocher hervor. Mit dem Kocher stehe ich seit besagtem Nachmittag auf Kriegsfuß. Der Grund war folgende Arbeitsaufteilung: ich drehe das Gas auf und Andi entzündet die Kocherflamme mittels Feuerzeug. Nach dem ersten Versuch passiert erstmal nix (war schon beim Kochen am Parkplatz ein wenig schwierig). Für Andreas ist die Sachen klar "Du musst das Gas mehr aufdrehen.". "Hab ich doch." wütend und unterzuckert schraube ich an der Gasflasche herum. Was als nächstes folt ist ein lautes Zischgeräusch und eine Stichflamme die ihresgleichen sucht. Andi keucht, Marley verschwindet hinter dem nächsten Strauch, alle übrigen Wanderer sind mit einem Schlag auf uns aufmerksam geworden und ich...ich halte die brennende Fackel noch immer mit einer Hand. "Dreh es ab, dreh es ab!!" brüllt Andi. Fragt mich nicht was in dem Moment in meinem Kopf vorgegangen ist, denn offensichtlich hab ich das Zeug ja mit meiner linken Hand gehalten, aber ich hatte Angst mir beim Hingreifen meine rechte zu verbrennen. Nachdem Andi den ersten Schock überwunden hat greift er beherzt Richtung Gaskocherfackel und dreht kurzerhand das Gas ab. Puh, das war was. Marley schaut hinter dem Strauch hervor, macht aber keine Anstalten mehr zu uns zu kommen. Die anderen Wanderer tun jetzt so als hätten sie nichts bemerkt, aber ich komm nicht umhin zu bemerken wie sie uns immer wieder heimlich Blicke zuwerfen. Von verächtlich über vorwurfsvoll bis belustigt ist so ziemlich alles dabei. Mir ist das Ganze jetzt wurscht, ich will nur noch Essen. Bei dem Gedanken, dass wir am Nachittag noch einen Pass zu überqueren haben bis wir am Ziel unserer ersten Tagesetappe sind zieht sich mein Magen zusammen. Unser Fertigreis beginnt gerade köchelnd vor sich hin zu riechen, als über uns plötzlich ein tiefes Grollen erklingt. Als wir zum Himmel hochblicken ist auch klar woher es kommt. Wir haben die dicke, dunkle Wolkenfront, die sich über den Nachbargipfel geschoben hat, garnicht bemerkt. Keine weitere Sekunde sehen wir den ersten Blitz aufleuchten und dann geht plötzlich alles ganz schnell. Es beginnt wie aus Eimern zu schütten, die umliegenden Berge verschwinden in einer dunklen Wolkenfront. Blitz und Donner folgen fast ohne Pause aufeinander. Keuchend sammeln wir unser ganzes Hab und Gut zusammen und suchen Schutz. Unter uns hat sich eine Gruppe von 4 Männern zwischen den Bäumen versammelt. Man weiß ja, dass man sich bei Gewitter am Berg flach in eine Mulde legen soll(?!), aber nachdem es plötzlich wie von Sinnen zu hageln beginnt wollen wir einfach nur mehr eins, unter einen Baum. Binnen weniger Minuten kühlt es merklich ab. Da stehen wir, frierend, hungrig, zitternd, zerstochen und überhaupt nicht mehr wandermotiviert. Andi scheint über irgendetwas nachzudenken, ich denke an Fertigpizza und unsere warme Wohnung. Marley denkt nicht, Marley gräbt ein Loch. Er buddelt wie von Sinnen ein Loch unter Andis Beinen und legt sich dann hinein. Ein nasses, dreckiges, entrüstetes kleines Etwas blickt zu uns hoch. "Wie könnt ihr mir das nur antun?!" steht in Leuchtbuchstaben auf seiner Stirn. Plötzlich springt Andi aus unserem Unterschlupf...der Metalltopf!! Natürlich, der Metalltopf mit unserem Mittagessen sollte bei dem Gewitter nicht in unserer Nähe stehen, zu gefährlich. Was hab ich nur für einen schlauen Mann geheiratet. Bewundernd schiele ich zu ihm hoch während den Topf mit unserem Fertigreis von uns weg in den Hagel hinaus verfrachtet. Erst als alles vorbei ist bemerken wir, dass der Metallkocher und der Metalltopfdeckel die ganze Zeit neben uns gelegen sind. Das man den Topf mittels Deckel abdecken hätte können, daran haben wir in unserer Panik nicht gedacht. Der Hagel hat aufgehört. Es ist kalt, richtig kalt. In unserem Mittagessen schwimmen Hagelkörner und ein paar Tannenzapfen. Hunger ist bekanntlich der beste Koch. Wir fischen die Zapfen und einen Großteil der Hagelkörner aus dem Essen. Es schmeckt ein bischen nach Wald und Uncle Bens Geschmacksverstärker. Marley liegt noch immer in seiner Mulde, wenn er reden könnte hätte er uns vermutlich ein paar nicht ganz so nette Dinge zu sagen.  Der Boden ist weiß. Dort wo keine Hagelkörner liegen haben sich kleine Bäche gebildet und weichen den Waldboden auf.






Als sich über den Nachbargipfeln die nächsten dunklen Wolken zusammenbrauen (und das obwohl der Wetterbericht auch nach mehrmaligem Überprüfen Sonnenschein versichert hat) fällt uns die Entscheidung nicht mehr wirklich schwer. Wir drehen um. Es macht keinen Spaß bei Gewittern über Pässe zu wandern und sein Zelt in Matschgruben aufzustellen. Beim Abstieg beginnt es ingesamt noch 6 Mal zu Regnen und wir erleben einen weiteren Hagelschauer. Einige Wandersleute kommen uns mit schwerem Gepäck beladen entgegen, aber keiner wirkt mehr so als hätte er wirklich Spaß an der Wanderung. Den Damm passieren wir beim zweiten Mal schon deutlich geschickter und auch Marley scheint erleichtert zu sein, als wir durch das Tal absteigen.

Nach 10:30Stunden Wanderung (mit 2 kurzen Pausen) erreichen wir unser Auto. Ich glaub ich hab mich selten so auf eine Übernachtung im Auto gefreut.




Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zurück nachhause. Dabei machen wir 3 kurze Zwischenstopps. Einmal am Independece Pass...



Ja, ihr seht ganz richtig...es finden sich überall ein paar "Höchstmotivierte" die mit den Schiern die grünen Hänge hochschnaufen um die letzten Schneefelder zu befahren.



...dann in einem kleinen Dörfchen (bestehend aus ca 20 Häusern) am Fuße des Passes. Dort treffen wir auf 3 Weitwanderer. Ein junge Frau und ein Mann, ca in Andis Alter. Beide wandern den Continental Divide Trail und haben sich auch dort kennengelernt. Extrem schlechte Wetterbedingungen, hüfthoher Schnee und Hunger haben sie zum Absteigen gezwungen. Lange wollen sie aber nicht im Tal bleiben. Im April hat ihre Reise begonnen berichtet die Frau, im September hofft sie anzukommen. Ich kann nicht aufhören sie bewundernd anzustarren. Dann ist da noch ein älterer Mann, er geht den Colorado Trail und ist ebenfalls aufgrund des Schlechtwetters abgestiegen. Er wirkt trotzdem ganz vergnügt und wir unterhalten uns noch ein bischen bevor wir weiterfahren.



Steinpolster :-)


...ohne Worte ;-)

Unser letzter Zwischenstopp ist ein kleiner Ort auf einem weiteren Pass. Hier sieht es aus als wäre die Zeit stehengeblieben und wir lassen es uns nicht nehmen ein paar Eindrücke auf Bild festzuhalten.






Als wir Mitte Nachmittag dann die Frontrange vor uns auftauchen sehen, fühlt es sich an wie nachhause kommen. Boulder ist schon eine ziemliche "Bubble" (wie die Einheimischen es gerne bezeichnen), aber wir freuen uns über unsere Bubble und beenden den Tag mit einer Riesenmelone und NetFlixSerien.
So ganz hat uns die Abenteuerlust aber nicht verlassen und weil wir nicht anders können machen wir uns am nächsten Tag nochmal auf. Diesmal mit den Mountainbikes. Marley bleibt zuhause, er macht auch keine Anstalten mit zu wollen. Ich glaub er nimmt uns die vorherige Tour noch immer übel. Um es kurz zu machen, nachdem wir Andis Hinterreifen wegen Platten zweimal flicken mussten und sich über den Bergen ein weiteres Gewitter zusammenbraute haben wir auch dieses Unterfangen nach etwa einem Drittel der geplanten Srecke abgebrochen. Zurück in Boulder angekommen haben wir das einzige getan was man nach einem solchen Wochenende noch tun kann. Wir sind Essen gegangen und haben uns dann mit einem Buch ins nächste Kaffee gesetzt.
Rückblickend kann ich sagen, dass wir ein ziemlich ereignis- und emotionsreiches Wochenende hinter uns haben. Aber wenn man sich selbst und das Leben weniger ernst nimmt, dann bieten auch solche Wochenenden genug Momente zum Lachen bis die Tränen kullern.
Und wir haben noch lange nicht genug....Andi plant schon unsere nächste Mouainbiketour und ich hab schon unseren nächsten Fourteener anvisiert. Marley bekommt davon noch nicht viel mit, er liegt in seinem Körbchenstuhl und schnarcht...wenn der wüsste ;-)