Einkommenssteuer… Ungeheuer
Habt ihr schon mal etwas von SSN und ITIN gehört?! Genau, ich bis vor
kurzem auch nicht. Um das Rätsel gleich mal zu lüften, SSN ist die Abkürzung
für Social Security Number. Das ist jene Nummer ohne die man in den USA nicht wirklich
„existent“ ist. Ich habe keine SSN. Trotzdem bin ich in den USA und dass das
ohne jegliche „Existenzgrundlage“=Zahlencode nicht lange so geht war fast klar.
Nur kurz zur Erklärung, Andi hat eine SSN weil er ein anderes Visum hat als
ich. Bei meinem Visum bekommt man keine SSN und erstmal auch keine
Arbeitsbewilligung. Mittlerweile hab ich sie, nicht die SSN aber die
Arbeitsbewilligung. 5 Monate, 2 Wochen und 6 Tage hat es gedauert.
Kurz nach meiner abgeschlossenen Yogaausbildung hab ich das Ansuchen
gestellt, man will ja schließlich auch ganz offiziell und legal anwenden was
man gerade erst gelernt hat. Das ist zu Beginn nicht so kompliziert. Kopien von
diversen Unterlagen und ein Erklärungsschreiben, in dem man bekräftigt, dass
man mithilfe der Arbeitsbewilligung nicht vor hat die Weltherrschaft an sich zu
reißen. Gesagt getan, ab geht die Post Richtung Texas. Nach 3 Monaten liegt ein
Briefchen im Briefkasten. Ein Jubelschrei, fünf Freudensprünge und das Öffnen
eines Umschlags später wird klar: das ist nicht die Arbeitsbewilligung sondern
ein Schreiben von der Behörde. Sie haben alle meine Daten noch einmal sauber auf
ein Blatt Papier getippt und wollen nun von mir, dass ich es nochmal durchlese.
Nur so um sicherzugehen, dass ich bei meiner Antragsstellung nicht betrunken,
eingeraucht oder sonstwie benebelt war und es geschafft habe meine Adresse,
Telefonnummer und sonstiges richtig abzutippen. Wenn alle Daten stimmen (Ja,
sie stimmen. Das lässt schlussfolgern, dass ich bei der Antragstellung im
vollen Besitz meiner geistigen Fähigkeiten war) brauch ich mich nicht zu
melden. Also melde ich mich nicht und warte. Ein paar weitere Wochen vergehen, es
kommt ein weiterer Brief. Diesmal bin ich weniger überschwänglich. Ich habe
dazugelernt und es stellt sich heraus, zu Recht. Wieder keine Arbeitsbewilligung,
dafür wollen sie diesmal Bargeld und die Kopie von ein paar weiteren
Dokumenten. Mir ist zwar nicht ganz wohl bei der Sache Geld zu schicken aber
bitte. Briefchen mit Scheck und Dokumenten reist nach Texas und ich warte
wieder. Man müsste ja meinen damit hätte sich die Sache erledigt…genau: falsch
gedacht. Ein weiteres Schreiben von der Behörde lässt nicht so lange auf sich
warten. Es „fehlen“ Dokumente, ich soll sie nachreichen. Der Clou an der Sache,
es sind die Dokumente die ich mit dem Geld eingereicht habe. Vom Geld steht
nix, also gehe ich davon aus, dass es angekommen ist. Ja was zum Geier ist dann
mit meinen Dokumenten passiert?! Meine tiefgelassene Yogihaltung ist dahin und
was mir beim Gedanken an die texanische Arbeitsbewilligungsstelle so durch den
Kopf geht ist wohl nicht gerade förderlich fürs Karma. (ich glaub nicht, dass
es bei dem Gedankengut noch für eine Wiedergeburt als Meerschweinchen gereicht
hätte). Jedenfalls werfe ich alle Hemmungen bezüglich Telefongespräche in
englischer Sprache über Bord und rufe in Texas an. 3 Versuche später befinde
ich mich in der richtigen Warteschleife, vermute ich halt. Lange Geschichte
kurz: Die Dame am anderen Ende der Leitung scheint sich nicht wirklich um
Karmapunkte zu scheren, genauso wenig wie ihr Kollege der meine Dokumente
verschlampt hat. Ganz im Meerschweinchenmodus lege ich auch nach ca 2 Minuten
jede Freundlichkeit ab und erkläre der Guten im schwerst dialektlastigen
Englisch, dass ich nach mittlerweile einem halben Jahr Wartezeit bald nicht
mehr um eine Genehmigung anzusuchen brauche weil mein Visum ausgelaufen ist
bist das Ansuchen endlich durchgeht. Das kümmert die Texanerin herzlich wenig,
genauso wenig wie der Zustand, dass ich nur die Hälfte von dem was sie so vor
sich herbrabbelt verstehe. Was ich herausfiltern kann ist ohnehin, dass die
meisten Infos die sie so von sich gibt nichts mit meinem Anliegen zu tun haben
sondern einzig dem Zweck dienen, dass ihr niemand etwas nachsagen kann da das
ganze Gespräch ja aufgezeichnet wird. Als uns beiden nach einigen Minuten, in
denen wohl keine von uns richtig versteht was die andere eigentlich will, die
Geduld ausgeht sehe ich ein, dass ich verloren habe. Also, das ganze
Papierzeugs nochmal einschicken *jeiiiii. Um der Geschichte ein Ende zu machen,
nach den erwähnten 5 Monaten, 2 Wochen und 6 Tagen war sie da – meine Arbeitsbewilligung.
(da hab ich mir dann ein paar Luftsprünge erlaubt)
Mittlerweile hab ich dazugelernt und weiß, dass es mit der Bewilligung
eines(!) Antrags nur selten getan ist. Das wusste ich aber zu dem Zeitpunkt
noch nicht. Überglücklich, voller Euphorie und gutem Glauben ziehe ich mit
meiner kleinen Chipkarte, die meine Arbeitsbewilligung bestätigt, los zu den
Yogastudios. Endlich darf ich offiziell unterrichten. Auf die erste
Ernüchterung, nämlich dass es in Boulder mehr Yogalehrer als Sand am Meer gibt,
will ich garnicht näher eingehen. So viel sei gesagt, mit einem wundervollen
österreichischen Dialekt, einer Vergangenheit als Cranio- und Physiotherapeutin
die hier einen Furz zählt und einer tickenden Visum Zeitbombe im Rücken hat man
in den USA nicht unbedingt die besten Voraussetzungen. Nichts desto trotz, es
gibt gute, liebe Menschen die ebenfalls Karmapunkte sammeln und mir tatsächlich
die Chance gewähren mein Können unter Beweis zu stellen. Überglücklich
erscheine ich zur „Audition“(kein Scherz, nennt sich hier so wenn man zum
Bewerbungsgespräch mit anschließender Leistungsdarbietung antritt) und fuchtle
mit meiner Arbeitsbewilligungkarte vor der Nase der Studioleiterin herum als wäre
es der Schlüssel zur Erleuchtung. Die schert sich aber herzlich wenig um meine
hübsche Karte sondern erklärt mir mit breitem Lächeln, dass sie mir am nächsten
Tag ein Mail mit Unterlagen zukommen lassen wird, die ich ausfüllen und
schnellstmöglich retournieren soll.
Na gut, wie schlimm kann das schon sein? Als ich am nächsten Tag das
Mail öffne muss ich so laut fluchen, dass sich Marley von seinem Stuhl stürzt
und Zuflucht in seiner Hundekiste sucht (keine Sorge, er hat danach zur
Wiedergutmachung eine Handvoll Hühnereingeweide bekommen *nomnonom). Das Mail enthält: Tataaaa…eine Liste komplizierter,
unnötiger absolut englischalsfremdesprachenfeindlicher Formulare. Meine
Rettung? Andi. Der hat sich nämlich schon im letzten Jahr durch einen Berg von
Formularen gekämpft und mit seiner Hilfe dauert die Arbeit für die ich
gedanklich schon ein paar Wochen Recherche eingeplant habe nur eine gute halbe
Stunde. Aber was haben wir gelernt wenn ich kurz davor bin Freudensprünge zu
machen?! Genau, da kann was nicht stimmen. Und da ist sie auch schon, diese
kleine unscheinbare Zeile im Formular. Mittendrin und ganz versteckt. Und die
will folgendes wissen….naaaaa, wisst ihr schon was…jawohl, den ITIN. Was zum
****?! Zugegeben, sie lässt mir ja sogar die Wahl. Ich darf den ITIN oder die
SSN eintragen. Aus zu Beginn genannten Gründen habe ich zweiteres nicht und wie
sich sehr rasch herausstellt besitze ich ersteres genauso wenig.
Das Formular hat aber auch tatsächlich eine Lösung für „Fälle wie mich“
parat. Man darf in das freie Feldchen „beantragt“ eintragen und muss sich dann
so schleunigst wie möglich um den ITIN, der übrigens „Individual Taxpayer
Identification Number“ heißt, bemühen.
Sogar eine Telefonnummer ist für die Beantragung der „Existenzberechtigungsnummer“
angegeben. Scheint ja alles sehr einfach zu sein, aber was haben wir aus der
Vergangenheit gelernt?!….genau:
Am nächsten Tag rufe ich höchstmotiviert bei der Nummer an, die auf dem
Formular zum Zwecke einer Terminvereinbarung für ITIN Beantragung angeführt
ist. Diesmal fühle ich mich schon sicherer. Sind ja doch schon einige Woche
seit meinem letzten Behördentelefonat ins Land gezogen. Erst mal wühle ich mich
wieder durch eine lange Warteschleife in der man aufgefordert wird je nach
Grund des Anrufs verschiedene Nummern zu tippen. Ich tippe wahllos vor mich hin
weil ich die Stimme am anderen Ende der Leitung wider Erwarten doch um einiges
schlechter verstehe als gedacht. Irgendwann komme ich dann doch zu einem
menschlichen Wesen, das mir freundlich aber bestimmt erklärt, dass ich unter
dieser Nummer keinen Termin für einen ITIN Antrag vereinbaren kann. Aha. Ich starre auf das Formular das vor mir
am Küchentisch liegt und genau eben jene Nummer angibt. Marley beäugt mich
kritisch von seinem Stuhl aus. Ok, ich reiße mich zusammen. Für Marley und
meine Karmapunkte. Zu meinem, und auch seinem, Glück stellt sich heraus, dass
der gute Herr am anderen Ende der Leitung eine Nummer für mich hat. Na bitte,
dann rufen wir da gleich mal an.
Nach einem 5 minütigem Kampf mit der elektronischen Weiterleitung,
während der ich wieder wahllos Nummern drücke weil ich keine Ahnung habe von
was die krächzende Tonbandstimme spricht, ist es endlich so weit. Es läutet am
anderen Ende der Leitung. Es läutet ganz schön lange. Das ist ok, ich kann
warten. Ich bin ja jetzt zumindest bei der richtigen Nummer. Marley hat sich
wie ein kleiner Ball auf seinem Stuhl zusammengerollt und ich bin mir nicht
sicher ob er schläft oder den drohenden Sturm wittert. Während ich noch
überlege meldet sich am anderen Ende der Leitung eine Stimme. So unsympathisch
klingt sie gar nicht. Kurz und knapp erkläre ich ihr worum es geht. Sie scheint
zu verstehen. Wo ich denn wohne will sie wissen. Ich gebe meinen Wohnort an und
sie erklärt, dass ich kurz in der Warteschleife sein werde weil sie herausfinden
muss, wo meine nächste zuständige Stelle ist. Noch bevor ich ein Wort sagen
kann klingt schon irgendein trommelfellschädigendes Gedudel aus dem Hörer.
Meine nächste Stelle ist in Denver, das hat mir meine Googlerecherche nach 10
Sekunden schon am Tag zuvor verraten. Ich bin mir nicht sicher ob die Dame am
anderen Ende der Leitung nicht weiß wie man Google verwendet oder ob ihr
Kollege sie zum Kaffeekränzchen eingeladen hat. Erst nach 5 Minuten ist sie
jedenfalls wieder in der Leitung und erklärt mit Singsangstimme, dass die
Stelle für mein Anliegen in Denver ist. Pause. Irgendwie scheint sie auf ein
Lob zu warten und ich will mal nicht so sein und bedanke mich artig. Irgendwie
hab ich Mitgefühl mit der fremden Dame. Ist bestimmt auch nicht so lustig den
ganzen Tag telefonische Anliegen zu bearbeiten. Ob ich denn jetzt einen Termin
für meine Antragsstellung vereinbaren möchte fragt sie mich. Ja das hab ich
doch schon zu Beginn des Gesprächs gesagt, will ich zuerst sagen. Ich verkneife
es mir und antworte nur mit YES. Und dann passiert womit ich eigentlich schon
hätte rechnen können. Sie bittet mich in der Leitung zu bleiben, sie muss sich
erst erkundigen. Worüber bin ich mir nicht ganz klar. Nach weiteren 5 Minuten
in der Musikgedudelwarteschleife ist sie wieder da. Ja, sie kann mir einen
Termin vereinbaren. Wieder Stille. Diesmal gibt es kein Lob meinerseits, mein
Nervenkostüm wird bereits dünner. Als sie merkt, dass von mir wohl keine
Freudenschreie zu erwarten sind fährt sie etwas unterkühlter fort. Ich soll ihr
Datum und gewünschte Uhrzeit nennen. Ich gebe ihr so viel verschiedene Daten
und Uhrzeiten wie möglich, um sicherzugehen das sie nicht ohne einen Termin aus
ihrer 5 minütigen Kaffeepause zurückkehrt. Wieder Warteschleife, ich atme tief
durch. Ich bin dem Ziel ganz nah, sage ich mir immer wieder leise vor während
die Musik auf mich eindüdelt. Kurz frage ich mich ob die Leute, die die Musik
für Telefonwarteschleifen aussuchen sich einen Spaß daraus machen arme Wartende
zu quälen. Dann ist sie wieder da. Ja, Freitag 9:30. Ich bin überglücklich. Ob
der Termin wirklich passt fragt sie. Schon während ich YES sage dämmert es mir
was gleich passieren wird. Genau, sie muss das jetzt „nochmal fixieren“(?!) und
ich soll „kurz“ in der Warteschleife warten. Marley duckt sich ganz tief in
seinem Stuhl, er weiß schon was jetzt kommt. Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt
keine Ahnung, dass ich so gut im Fluchen bin. Natürlich nur auf „kärntnerisch“
versteht sich, ich bin mir ja nicht sicher ob die Aufzeichnung des Gesprächs
auch in der Warteschleife weiterläuft. Und dann…endlich…ist die Dame wieder da
und bestätigt den Termin. Sie ist gut gelaunt. Ich gehe davon aus das ihr der
Kaffee geschmeckt hat. Und dann mache ich den Fehler. Ich frage welche
Dokumente ich mitbringen soll. (ich will ja nicht eine Stunde Richtung Denver
und dann wieder zurück fahren nur um herauszufinden, dass ich irgendeinen
Papierfetzen in der Wohnung hab liegen lassen) Freundlich und geduldig zählt
die Telefonlady Papiere und Formulare auf und ich nicke am anderen Ende der
Leitung. Hab ich, hab ich, hab ich. Und dann sagt sie zuallerletzt: „Ja und
dann brauchen sie noch ihren Steuerbescheid.“ Ich stutze. Das muss ein
Missverständnis sein. Ich habe keinen Steuerbescheid. Stille am anderen Ende
der Leitung. Ja aber ohne Steuerbescheid kann sie mir keinen Termin für eine
ITIN Vergabe vereinbaren. Marley duckt sich noch tiefer in seinen Stuhl. Zu dem
Zeitpunkt bin ich mir noch sicher, dass sie diejenige ist, die etwas nicht
verstanden hat. Ich habe keinen Steuerbescheid weil ich noch nicht gearbeitet
habe. Deshalb brauche ich den ITIN. Um arbeiten zu dürfen. Und nachdem ich
diese Hürde gemeistert habe kann ich alles Weitere zum Thema Steuer erledigen.
Logisch oder? Nicht so für die Lady am anderen Ende der Leitung, die hat
nämlich nun auch schon sichtlich genug von dem Gespräch, das mittlerweile schon
20 Minuten dauert. Ohne Steuerbescheid kein Termin zur ITIN Vergabe. Punkt. Und
das wars dann. Ende Gelände. Telefonat beendet. Kein Termin. Entgeistert starre
ich auf den Hörer. An die Zeit danach erinnere ich mich nicht mehr so genau.
Ich weiß nur, dass Marley schnurstracks in sein Häuschen geflüchtet ist und ich
2 Stunden laufen war.
Nachdem ich mich beruhigt habe bin ich erst mal ratlos. Als ich Andi
die Geschichte am Abend erzähle schüttelt er mitleidig den Kopf. Aber ich will kein
Mitleid, ich will meinen ITIN. Das scheint auch Andi einzusehen und er
verspricht mir mit seinem Arbeitskollegen zu reden, der für seine Frau auch
einen ITIN besorgen musste. Am nächsten Tag habe ich schon die Rückmeldung. Er
ist mit seiner Frau einfach nach Denver gedüst. Ohne Termin. Na bitte, wenn das
auch so geht….auf nach Denver.
Zwei Tage später packe ich alles zusammen was ich an Unterlagen und
Dokumenten finden kann und stopfe es in meine Tasche. Während ich mich auf der
fünfspurigen Straße durch den Morgenverkehr wühle wird mir wieder klar warum
ich nie nach Denver fahre. Nicht einmal die Neuwagen scheinen hier ohne Kratzer
und Dellen zu sein. Ich starre geradeaus, kralle meine Fingernägel ins Lenkrad
und stelle mir eine imaginären Riesenwattebausch um unser Auto herum vor. Es
scheint zu helfen, ich komme unbeschadet in Downtown Denver an und sogar die
Parkgarage finde ich auf Anhieb. Wenn das kein gutes Zeichen ist.
Zehn Minuten später stehe ich im Erdgeschoss eines
Riesenwolkenkratzers. Als ich dem Mann am Infoschalter mein Anliegen erkläre
weißt er mir eine der ca zehn Lifttüren zu. Beim Eintreten merke ich, dass ich
kein Stockwerk auswählen kann. Ehe ich nochmal nachfragen kann schließen sich
die Türen und der Lift bewegt sich nach oben. 17.Stock steht da plötzlich. Sehr
schräg denke ich mir nur, aber bitte. Als sich die Türen im 17.Stock öffnen
eilt mir ein Sicherheitsmann entgegen. Und die erste Frage, die er mir stellt:
Haben sie einen Termin?
Meine Handflächen werden feucht. Nein, antworte ich und noch bevor ich
weiter ausholen kann schüttelt er den Kopf und erklärt kurz und knapp: „Ohne
Termin kein Einlass.“.
Jetzt reißt mir fast der Geduldsfaden. Im schönsten Kärntnerdialektichhabkeinenervenmehrundwillnurdiesesch***nummerenglisch
lasse ich einen Monolog vom Stapel. Detailgenau erkläre ich was bei meinem
letzten Telefonat bezüglich Terminvereinbahrung los war und warum ich am Ende
des Gesprächs leer ausgegangen bin. Stramm steht der Sicherheitsbeamte vor mir.
Schultern zurück, Blick geradeaus. Schon nach meinen ersten zwei Sätzen bin ich
mir nicht mehr sicher ob er mich überhaupt noch hört. Das einzige was ich mit
meiner Tirade ausrichten kann ist, dass nun auch noch sein Kollege hinzukommt
und mich skeptisch von oben bis unten mustert. Irgendwie fühle ich mich nun
eingeschüchtert und verstumme und dann kommt was kommen musste. Der Wachmann
drückt mir einen Zettel in die Hand auf dem in großen Buchstaben APPOINTMENT
und eine Telefonnummer steht. Ungerührt dreht er sich um und geht davon. Alleine
bleibe ich im Gang zurück. Mir ist nach Heulen zumute. Kurz überlege ich
einfach durch die Tür zur Antragsstelle zu stürmen, verwerfe den Gedanken dann
aber wieder. Kommt vielleicht nicht so gut. Aber ganz geschlagen gebe ich mich
dann doch nicht und bleibe trotzig im Gang stehen. Ich brauche einen Termin?
Dann hole ich mir jetzt einen. Ich krame mein Handy aus der Tasche und beginne
die Nummer am Zettel zu wählen. Dem Blick des Beamten nach zu folgen war das
wohl eher weniger was er im Sinn hatte, aber er beobachtet mich nur
missbilligend und schweigt. Gut so, denke ich mir und mache mich im Gang breit.
Nach dem „Anfangstamtam“, dass ich jetzt bereits schon auswendig kenne meldet
sich endlich ein menschliches Wesen am anderen Ende der Leitung. Die Dame ist
überraschenderweise sehr sehr nett und schon nach „kurzem“ (man wird sehr
schnell genügsam) haben wir einen Termin. Es ist 10:10 vormittags und sie kann
mir einen Termin um 11:00 beschaffen. Ich kann mein Glück kaum fassen und
bedanke mich überschwänglich. Freundlich bittet sie mich noch einmal kurz zu
warten und bloß nicht aufzulegen, sie muss den Termin noch bestätigen. Mach ich
doch glatt, sogar die Dudelmusik in der Warteschleife klingt auf einmal nicht
mehr ganz so nerv tötend. Und plötzlich ist die Leitung stumm. Erst kann ich es
nicht glauben. Das gibt’s jetzt nicht. Ungläubig starre ich auf den Hörer. Es
ist wahr, ich bin aus der Leitung geflogen. Das einzige, das mich von einem
Tobsuchtsanfall abhält ist der Sicherheitsbeamte der mich aus einigem Abstand
beobachtet und so aussieht als würde er sich sehr über einen Grund freuen um
mich aus dem Gebäude werfen zu können. Den Spaß gönne ich ihm dann doch nicht.
Ich atme 3-mal tief durch, rufe mir ein paar Yogiweisheiten ins Gedächtnis und
wähle die Nummer erneut. Die Dame die ich sich diesmal meldet (warum arbeiten
eigentlich nur Frauen bei der Telefonzentrale?!) ist zwar weitaus weniger
freundlich aber dafür kompetent. Soll mir recht sein. Nach nur wenigen Minuten
steht es fest, ich habe meinen Termin um 11 Uhr. Als ich auflege kann ich mir
ein Siegesgrinsen nicht verkneifen. Erhobenen Hauptes spaziere ich auf den
Wachmann zu, der sich nun mit breiten Beinen vor dem Durchgang zum Raum für die
Antragsstellung positioniert hat. Was
denkt der Typ sich, dass ich vorhabe ihn niederzurennen?! Als ich ihm kurz und
knapp erkläre, dass ich einen Termin habe, kann ich mich nicht gegen das Gefühl
wehren, dass er noch genervter und irgendwie enttäuscht wirkt. Aber ich kann
mich auch irren. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon etwas theatralisch. Nach
einem Mordstamtam mit Schuhe ausziehen und Handy abschalten usw usw bin ich
durch die Sicherheitsschleuße. Ich habs geschafft. Fast hätte ich laut losgejubelt.
Sofort will ich zum Schalter um mir eine Wartenummer zu besorgen. Und
schon ist er wieder da, der Herr Sicherheitsmann. Schön langsam geht er mir
wirklich auf den Nerv. Ich darf mir keine Nummer holen. Ich muss bis 10:50
warten, dann darf ich mich anmelden und eine Nummer ziehen da mein Termin erst
um 11:00 ist. Bitte wie? Mittlerweile bin ich mir sicher, dass es irgendwo eine
versteckte Kamera gibt und sich das Personal in der Mittagspause heimlich über
all die dämlichen Antragssteller kaputtlacht. Nach einem weiteren Blick in das
versteinerte Gesicht des Ordnungsmannes ist klar, es ist kein Scherz. Na gut,
zumindest bin ich dort wo ich hingehöre. Ich werfe einen Blick auf die Uhr an
der Wand. Es ist 10:20. Ergeben lasse ich mich auf einen der Stühle sinken und
warte. Neben mir sind Papierwände die die fleißig arbeitenden Angestellten vom
Fußvolk trennen.
Man sieht zwar nix, aber hören kann man alles. Neben mir ist ein armer
Kerl, scheinbar Europäer wie ich aus dem Gespräch entnehmen kann, der scheinbar
die Frist für irgendeine Anzahlung übersehen hat. Das Ganze ist mittlerweile 3
Jahre her und wie ich weiter heraushören kann handelt es sich um eine hübsche
Stange Geld. Der Beamte redet in einem aufgeregten Monolog auf den Steuersünder
ein. Der schweigt. Schön langsam beginne ich Mitgefühl für den armen Kerl zu
entwickeln. Wenn er genauso viel von dem versteht was der Beamte von sich gibt
wie ich, dann hat er ein Problem. Ich versteh nämlich nix, außer dass er
irgendwas falsch gemacht hat. Bevor ich mich mit dem Ohr an die Pappkartonwand
pressen kann um besser zu verstehen fällt mein Blick auf die Uhr. 10:50.
Endlich. Ich trenne mich von dem Drama das sich neben mir zuspitzt und wünsche
dem armen Kerl den ich heimlich Ed getauft habe (fragt mich nicht warum, er klingt
wie ein Ed) gedanklich alles Gute.
Am Anmeldungsschalter hat das Personal gewechselt. Das ist mir nur recht,
der ältere Herr der mir entgegen lächelt (das erste lächelnde Gesicht seit ich
das Gebäude betreten habe) ist mir sympathischer als die dürre Frau mit dem
strengen Blick. Ich nenne Namen und Anliegen und er tippelt in seinem Computer herum.
Bevor ich eine Nummer ziehen darf zählt er mir die Dokumente auf, die ich bei
mir haben soll. Und noch bevor er es ausspricht schleicht sich eine düstere
Vorahnung ein. Und dann höre ich die Worte, von denen ich dachte ich hätte sie
mit dem letzten Telefonat hinter mir gelassen. Steuerbescheid. Ich habe das Gefühl
als würde sich unter mir der Boden auftun (zu diesem Zeitpunkt war ich schon
sehr seeeehr verzweifelt und infolgedessen seeeeeeehr theatralisch). Der alte Herr hinter dem Schalter kann das
Loch in das ich falle scheinbar auch sehen und sein Gesicht bekommt einen
weichen Ausdruck. Und dann erklärt er mir mit einfühlsamen, einfachen und
absolut logisch, verständlichen Worten jenen Umstand, den niemand sonst in der
Lage war mir zu vermitteln. Er kann mir den ITIN nicht einfach so geben. Wir
müssen am Ende des Jahres Andi´s Steuerbescheid ausfüllen (auf dem auch meine
ITIN Nummer verlangt wird) und das betreffende ITIN Feld leer lassen. Mit dem
original Steuerbescheid und allen Unterlagen die ohnehin schon mitschleppe soll
ich dann in Denver antanzen. Anhand des Bescheids sieht man dann, dass ich
einen Grund(!) für meine Antragsstellung habe und daraufhin wird alles
eingescannt verschickt, bearbeitet und so Gott will bekomme ich nach weiteren
Wochen(Monaten?) Wartezeit meine ITIN Nummer.
Als ich aus dem Gebäude taumle schwirrt mir der Kopf. Fast hätte ich
die Parkgarage nicht mehr gefunden. Ich weiß nicht ob ich lachen, schreien oder
weinen soll als ich mich in den Kolonnenverkehr Richtung Boulder zwänge. Ich
weiß nur eines, wenn ich wieder zuhause bin werde ich mich vor den Computer
setzen…denn diese Geschichte ist einen Blogeintrag wert.